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Loslassen

14-22 Loslassen

Anfang des Jahres habe ich über den Sinn des Lebens geschrieben. Für mich hat mit Ende der Berufstätigkeit eine andere Zeit begonnen und mich über dieses Thema wieder nachdenken lassen. Nun ist fast ein Jahr vergangen und ich habe diese Zeit wirklich genossen.

Ich habe es genossen keinen äußeren Zwängen zu unterliegen, die mir den Takt der Zeiteinteilung vorgeben. Ich habe mich „treiben lassen“, habe auf meine innere Stimme gehört, meine Bedürfnisse wahrgenommen und nur das getan, wozu ich Lust hatte – naja fast – denn die notwendigen, vor allem administrativen Pflichten (Rechnungen überweisen, Termine wahrnehmen) habe ich so „nebenbei“ erledigt.

Es ist schon eigenartig, dass ich ehemals lästige Arbeiten – wie Putzen, Kochen, Einkaufen, Wäsche waschen – inzwischen mit ganz anderem Elan erledige, weil ich mir dafür Zeit nehmen kann. Vor allem das Kochen macht mir Freude und ich probiere so viel Neues aus, entdecke den Geschmack der einfachen Gerichte wieder. Wir brauchen nicht viel, um ein köstliches Essen auf den Tisch zu bringen – es reichen frische Zutaten und ein bisschen Kreativität und Experimentierfreude, eine gute Nase und eine aufnahmebereite Zunge.

Durch mein Aufmerksamkeitstagebuch – wodurch ich mich jeden Tag bemühe meine Umwelt aufmerksamer wahrzunehmen, sie beobachte und darauf achte, was sich verändert – hat sich auch meine Aufmerksamkeit anderen Dingen gegenüber verändert.

Gerade beim Kochen schnuppere ich viel intensiver, lass meinen Geschmacksknospen Zeit, nehme mit meinen Händen die Struktur der Lebensmittel und der Gerichte besser wahr. Ich beobachte, wie sich der Hefe-Teig entwickelt, den ich knete; sehe, welches Leben in ihm steckt, wie er „wächst“ und dadurch an Fluffigkeit gewinnt. Es macht neugierig auf das Ergebnis.

Es ist erstaunlich, wie flauschig die Wäsche wird, wenn sie im Wind trocknet und wie frisch sie riecht – ganz ohne Weichspüler.

Wenn wir in unsrem Tun eine Sinnhaftigkeit sehen, dann motiviert das viel mehr, als wenn wir es nur aus Pflichtgefühl erledigen.

Das bedeutet für mich auch alle meine Sinne zu nutzen, so intensiv es mir möglich ist. Wenn nach dem Putzen wieder alles schön glänzt und gut riecht – dann wird mir wohl ums Herz.

Wenn ich die Falläpfel vom Nachbarn zu Mus verarbeite, daraus einen Kuchen backe und ein Glas Apfelmus dem Nachbarn schenke – dann freue ich mich und er freut sich ebenfalls.

Irgendwie fügt sich alles. Dadurch, dass ich aufmerksamer geworden bin, sehe ich Vieles mit anderen Augen, fühle was ich wirklich brauche, kann mir besser merken was  ich noch erledigen will.

Es ist nicht so, dass wir im Alter vergesslicher werden – wenn wir unserer Aufmerksamkeit beständig Nahrung geben. Ich merke, wie viele Dinge unwichtig geworden sind, ich nicht wirklich benötige und denen ich deshalb auch keine Aufmerksamkeit mehr schenke. Diese Sachen streiche ich aus meinem Gedächtnis, vergesse sie absichtlich und habe Platz für Neues, was ich vor allem in meiner natürlichen Umwelt entdecke.

Im Zen gibt es ein Bild, dass das Gefäß erst geleert werden muss, bevor wir etwas Neues hineingeben.

Deshalb müssen wir uns – wollen wir wirklich Veränderung – uns erst einmal von dem Alten trennen, von dem was uns aufhält.

In diesen vergangenen Monaten habe ich gespürt, dass Loslassen, sich von Altlasten trennen wirklich notwendig ist, um mein „Gefäß“ zu leeren, um meinem Leben wieder Freiraum zu geben.

Viele meinen, dass man mit Eintritt in das Rentenalter unbedingt eine neue Beschäftigung haben muss. Meine Erfahrung ist, dass es viel wichtiger ist, erst einmal innezuhalten, auf die vergangenen Jahre zurückzublicken, diese zu würdigen und wertzuschätzen, was wir erreicht haben und den Abschnitt der Erwerbstätigkeit in Liebe loslassen.

Für mich war es anfangs schwierig, kein schlechtes Gewissen mehr zu haben, weil ich nicht mehr jeden Morgen aufstehe und zur Arbeit gehe. Ich habe mein ganzes Leben in Vollzeit gearbeitet und habe mir diesen neuen Abschnitt meines Lebens einfach verdient.

Ich habe losgelassen, gehe nun alles mit viel mehr Ruhe und Gelassenheit an, genieße die Möglichkeit der individuellen Zeiteinteilung und bin dankbar, dass ich meinen neuen Lebensabschnitt so annehmen kann.

Ich bin dankbar, dass mein Umfeld mich so machen lässt, wie ich es für mich am besten empfinde und sie wird dafür mit freundlicher Zuwendung von mir belohnt. So haben alle etwas davon.

Es ist herrlich – einfach nur zu SEIN, so zu sein, wie es der Augenblick mit sich bringt und es mit allen Sinnen zu genießen.

Alles Liebe.

RAINBOW

 

 

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